Nein, Bäume hat der SC Westfalia Herne nach der Winterpause wirklich noch nicht ausgerissen. An diesem Sonntag aber hat der Spitzenreiter die Gelegenheit, den mäßigen Eindruck und die durchwachsene Bilanz der letzten Wochen kräftig aufzupolieren. Schafft es die Westfalia, drei Punkte aus Lünen zu entführen, ist mit dem Lüner SV einer der ärgsten Widersacher mit dann zehn Zählern Rückstand wohl endgültig abgeschüttelt. Andernfalls aber wird die Meute der Verfolger dem SCW ganz dicht auf die Pelle rücken und ihm in den nächsten Wochen noch mächtig einheizen. Um 15 Uhr wird die pikante Partie in der Kampfbahn Schwansbell angepfiffen.
Christian Knappmann gibt sich erst gar keine Mühe, die Bedeutung der Begegnung herunterzuspielen. „Dieses Spiel hat einen mehr als hohen Stellenwert. Unser Sechs-Punkte-Vorsprung ist trügerisch“, warnt der Westfalia-Coach. Klammheimlich nämlich hat sich Holzwickede an Lünen und Hordel vorbei auf den zweiten Platz geschoben, eine Mannschaft, die Knappmann vorab weniger auf der Rechnung hatte. Inzwischen aber umso mehr. „Holzwickede spielt jetzt gegen Lennestadt und Neheim, ich kann mir nicht vorstellen, dass die da Punkte liegen lassen. Und wir haben zwei dicke Brocken vor der Brust, erst Lünen und dann Hordel.“ Knappmann muss es gar nicht explizit aussprechen, seine Ansage an die Mannschaft wird auch so deutlich: In Lünen ist Verlieren verboten. Besondere Spiele erfordern besondere Maßnahmen – das weiß der Ex-Profi aus seiner aktiven Laufbahn, die ja nicht lange zurückliegt.
Deshalb hat Knappmann tief in die eigene Tasche gegriffen und für die durch die Zeitumstellung verkürzte Nacht die komplette Mannschaft in einem Dortmunder Hotel einquartiert. „Es ist wichtig, sich optimal auf entscheidende Spiele vorzubereiten“, begründet er diese Investition. Dass er als Trainer die Kosten übernimmt, sei vielleicht ungewöhnlich, aber nicht einzigartig. „Das habe ich früher auch schon erlebt, zum Beispiel von Mario Ermisch beim SV Rödinghausen. Von ihm habe ich mich inspirieren lassen.“
Damit will Knappmann aber keineswegs den Druck auf seine Spieler erhöhen, ihm dieses Investment zurückzuzahlen. „Die geben sowieso immer alles“, hat der SCW-Trainer an Einsatz und Einstellung selten etwas auszusetzen. Spielerische Mängel waren zum großen Teil den schwierigen Platzverhältnissen geschuldet. Die sind in Herne übrigens ähnlich wie in Lünen, wo auch auf Naturrasen gekickt wird. Dank des trockenen Wetters aber dürfte der Boden nicht gar so tief sein wie zuletzt am Schloss Strünkede.
Ans Hinspiel werden sich viele Herner Fans sicher noch gut erinnern. In einer turbulenten Partie mit Roten Karten gegen den Herner Enes Kaya und zwei Lüner setzte sich der SCW durch ein spätes Tor von Dejan Petrovic mit 2:1 durch. Es war der siebte Sieg im siebten Saisonspiel – ein ziemlich glücklicher Sieg, hatte der spielerisch stärkere LSV die Partie doch über weite Strecken gut im Griff. „Wir hatten damals nicht die nötige defensive Bereitschaft, die man gegen einen so spielstarken Gegner braucht“, hat Knappmann analysiert. Über sein mit Rosenkranz, Ziegelmeier und Ekici stark besetztes Zentrum habe Lünen das Spiel kontrolliert und viele gefährliche Aktionen inszeniert. Zum Glück für Herne hatte LSV-Torjäger Fabian Pfennigstorf (14 Saisontore) schon in der 24. Minute die Rote Karte gesehen. Diesmal aber ist der Abschlussspieler dabei. „Ihn dürfen wir nicht aus den Augen lassen. Das ist ein Instinkt-Stürmer, der macht Tore aus dem Nichts“, warnt Knappmann.
Allerdings ist auch Lünen nach der Winterpause noch nicht recht in Tritt gekommen. „Die Unbekümmertheit ist weg, viele Spieler laufen ihrer Form hinterher“, sieht Knappmann bei beiden Rivalen ähnliche Probleme. Personelle Sorgen hat er jedoch keine, weil nur Mumcu, Petrovic und Mützel fehlen. Maurice Temme ist wieder fit und eine Option für die linke Abwehrseite.